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Marie Goslich, 1859 in Frankfurt an der Oder geboren, arbeitete nach Umwegen zunächst als »Schriftstellerin und Redakteurin«. Diese Berufsbezeichnung, die sich im Berliner Einwohnerverzeichnis findet, wäre für eine Frau ihrer Zeit schon beachtlich genug. Um ihre Reportagen eigenständig illustrieren zu können, erlernte Goslich im Alter von 44 Jahren auch noch das Fotografenhandwerk und avancierte so zu einer der ersten professionellen Fotografinnen überhaupt. Ein Teil ihres lange verschollen geglaubten Nachlasses wurde 2008 in einem Gasthaus in Geltow am Schwielowsee wiederentdeckt. Etwa 400 Glasnegative haben die Wirren zweier Weltkriege bis heute überlebt. Goslichs Arbeiten illustrieren vorwiegend soziale und gesellschaftliche Missstände. In den zahlreichen, teils radikalen Artikeln, die sie schrieb und illustrierte, widmete sie sich den Ursachen der Not und des Leidens. Wiederholt prangerte sie die Kluft zwischen Arm und Reich an, porträtierte Wandervolk, Straßenverkäufer, Bettler, Lumpensammler und Kesselflicker. Ihre Empathie gegenüber den ausgewählten Sujets ist in jedem Bild sichtbar und macht ihre Fotografien zu ganz persönlichen und bewegenden Aufnahmen. Die Publikation macht Goslichs Werk 100 Jahre nach seiner Entstehung erstmals umfassend verfügbar und feiert die Fotografin als mutige Pionierin und Grande Dame des deutschen gesellschaftskritischen Fotojournalismus.